© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

Knapp daneben
Jeder kann den Regenwald retten
Karl Heinzen

Der brasilianische Regenwald steht in Flammen. Vor Ort scheint man die Lage zwar relativ gelassen zu betrachten. Dies kann uns im fernen Deutschland allerdings nicht beruhigen. Im Gegenteil: Der Verdacht liegt nahe, daß man das Drama bewußt verharmlost, weil die schäbigen Interessen finsterer Strippenzieher im Hintergrund es so verlangen. Früher hätten die deutschen Denker derartige Gesellschaftsanalysen in eine antisemitische Schlußfolgerung münden lassen. Heute können sie eine solche unterlassen und sich auf die Agrarlobby als Schuldige verständigen.

Besonders anspruchsvoll ist diese Erklärung immer noch nicht. Darauf kommt es aber auch gar nicht an. Die deutsche Öffentlichkeit leidet unter den Bränden. Daraus leitet sie den Anspruch ab, daß etwas geschieht, das dieses Leiden lindert. 

Die Fernsehköchin und Europaabgeordnete Sarah Wiener sucht die Verant-wortung bei uns allen.

Hierzu gibt es mehrere Ansätze. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner droht Brasilien mit „Konsequenzen“. Auch wenn die Welt weiß, daß die Deutschen jederzeit gerne einen Angriffskrieg zur Naturverteidigung führen würden, so erlaubt ihnen der Zustand der Bundeswehr dieses doch bis auf weiteres nicht. Christian Lindner ist daher weniger martialisch. Er empfiehlt den Bauern des Regenwaldes lediglich ein neues Geschäftsmodell, das Anreize zum Klimaschutz bietet. Da man um seine Weisheit als gescheiterter Unternehmer weiß, dürften seine Ideen sicher bald ins Brasilianische übersetzt werden. Die für die österreichischen Grünen im Europarlament sitzende Fernsehköchin Sarah Wiener sucht die Verantwortung hingegen bei uns allen und wird auf Anhieb fündig. Wenn wir weniger Fleisch äßen, würde es sich nicht rentieren, den Regenwald zu beseitigen, um Soja anzubauen oder Viehweiden zu schaffen.

Es kann also jeder seinen Beitrag leisten, um die Brände am Amazonas zu stoppen. Man muß ihm aber auch die Chance dazu geben. Die Entscheidung der Modekette H&M, kein Leder mehr in Brasilien einzukaufen, ist daher gut gemeint, hat aber eine fatale Konsequenz. Wie sollen die Bürger ihren Protest zum Ausdruck bringen, wenn es im Geschäft nichts mehr zu boykottieren gibt?