© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

Leserbriefe

Zu: „Anschwellende Empörung“ von Dieter Stein, JF 37/19

Ratlosigkeit nur vorgespielt

Die guten Wahlergebnisse der AfD in Brandenburg und Sachsen rufen bei den etablierten Altparteien vorgespielte Konfusion und Ratlosigkeit hervor. Vorgespielt deshalb, weil diese Parteien die Gründe für den Wahlausgang genau kennen, die vor allem in der Ablehnung einer als Überfremdung empfundenen Einwanderung in unser Land wurzeln.

Claus Reis, Schwabach




Nachschlag bei Bertolt Brecht

Vielen Dank für die treffende Analyse. Gewisse Personen in Politik und Medien leiden an Realitätsverlust, sie sehen nicht und sie hören nicht. Diese Situation hat keiner sprachlich so gut gefaßt wie Bertolt Brecht: „Sie sägten die Äste ab, auf denen sie saßen / Und schrieen sich zu ihre Erfahrungen, / Wie man schneller sägen könnte, und fuhren / Mit Krachen in die Tiefe, und die ihnen zusahen, / Schüttelten die Köpfe beim Sägen und / Sägten weiter“ (Bertolt Brecht, Exil, III).

Dr. Werner Tetiwa, Frankfurt am Main




So viel DDR war noch nie!

Die AfD und der Osten: Ost-Berliner, Sachsen, Menschen aus dem Norden, da soll es Unterschiede geben. Was genau hat im „Westen“ der Hanseat mit dem Oberbayern gemeinsam? Einen großen Unterschied Ost/West gibt es dann doch. Viele Menschen im Osten haben seit geraumer Zeit das Gefühl, ihnen würde etwas übergestülpt, was sie gar nicht wollen (zum Beispiel sogenannte Flüchtlinge). Politiker und Journalisten sehen sich immer mehr als Volkserzieher und Erklärer ihrer Wirklichkeit. Bei öffentlicher und veröffentlichter Meinung gab es früher weniger Dissonanzen. Da ändert Angela Merkel mal wieder flugs ihre Meinung und schon ist der Weg frei für die „Ehe für alle“. Anpassung bis zur Selbstverleugnung, Beliebigkeit, Inhaltslosigkeit und eine Politik ohne Haltung sind bei Frau Merkel ja nichts Neues. Atomausstieg im Alleingang. So funktioniert Demokratie im 21. Jahrhundert oder besser: Merkelschen Zeiten. So viel DDR war noch nie! Da hat man gerade im Osten der Republik ein feines Gespür. Wer den Zeitgeist heiratet, ist schnell Witwe. Daher sind die AfD-Wahlergebnisse keine Überraschung.Chris Dasch, 

Saulgrub im Ammergebirge






Zu: „‘Die Dame, die wir falsche Fürstin nennen’“ von Christian Vollradt, JF 37/19

Ein Flügel ohne Narrensaum

Der letztinstanzliche Parteiausschluß der Doris von Sayn-Wittgenstein durch das AfD-Bundesschiedsgericht ist sehr zu begrüßen. Die sich fein gebende Dame mit dem dubiosen Adelstitel hat der Partei schwer geschadet. Sie war Fördermitglied in einem „Gedächtnisverein“, der notorischen Holocaust-Leugnern wie Ursula Haverbeck eine Bühne bot. Es ist völlig richtig und notwendig, daß die AfD eine klare Trennlinie zieht und aufräumt. Auch der ehemalige Co-Vorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern Dennis Augustin muß raus wegen seiner verheimlichten NPD-Vergangenheit. Ein Rätsel bleibt, warum der miefige Alt-Antisemit Wolfgang Gedeon nicht schon längst ausgeschlossen werden konnte. Wichtig ist, daß der „Flügel“ sich nicht mit solchen Gestalten solidarisiert. Die AfD hat dauerhaft nur eine Chance, wenn es ihr gelingt, den Nazi- und Narrensaum abzutrennen. Sie braucht beide Flügel: den bürgerlich-liberal- bis rechtskonservativen und den rechtsnationalen. Rechte Demokraten sind willkommen. Aber sie braucht auf keinen Fall heimliche NPDler, Nazis oder Antisemiten.

Dr. Peter Müller, München






Zu: „Der Schuldschein des ‘Hexers’“ von Martina Meckelein, JF 37/19

Unfaßbar aberwitzig

Es ist für uns Heutige unfaßbar, mit welchen aberwitzigen Anschuldigungen der Hexenwahn des Mittelalters unschuldige Menschen in den Tod trieb. Aber sind wir – Zeitgenossen der Aufklärung – so weit entfernt von solchem Wahnsinn? Die Jünger der heiligen Greta des menschengemachten Klimawandels sind doch in ihrem Anspruch auf alleinige Wahrheit und mit ihrer Totalität gar nicht so weit entfernt vom geistigen Scheiterhaufen für Nichtgläubige.

Johann Adam, Hambühren






Zu: „Geschichte muß nicht trennen“ von Thorsten Hinz, JF 36/19

So zerfällt Europa immer weiter

Wenn jedes Land seinen klammen Haushalt dadurch aufbessern möchte, indem dies mit historischen Altlasten begründet wird, dann haben internationale Verträge künftig keine Gültigkeit mehr. So könnte etwa die Bundesrepublik Deutschland den polnisch-deutschen Grenzvertrag zur Disposition stellen, um die verbliebenen Werte in den deutschen Ostgebieten gegenzurechnen und begründen, daß dieser Vertrag ja nur durch diplomatischen Druck der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges zustande gekommen ist, um die Zustimmung zur Wiedervereinigung Deutschlands 1990 zu erlangen. Es ist kein offenes Geheimnis, daß die polnische Regierung auch ihre verlorenen Gebiete von der Ukraine zurückhaben möchte. Diese Politik ist im vereinten Europa des 21. Jahrhunderts zutiefst unwürdig und führt nur zu einem weiteren Zerfall Europas. Unter diesem Gesichtspunkt die diplomatischen deutsch-polnischen Beziehungen als gut zu bezeichnen, ist an Zynismus nicht zu überbieten.

Guido Pöppel, Berlin




Unbegründete Forderungen

Die polnischen Reparationsforderungen entbehren jeglicher Grundlage. Sie sind absurd und zeugen von polnischer Arroganz gegenüber den kriegsschuldbelasteten und hypermoralisierten Deutschen. 

Die deutsche Reichsregierung hatte seinerzeit mehrfach vergeblich versucht, mit der polnischen Regierung eine einvernehmliche Lösung des Konflikts in der Danzig- und Korridorfrage zu erzielen und die unerträglichen Schikanen, Gewalttaten und Provokationen der Polen gegen die Deutschen zu beenden. Bereits mehrere Monate vor dem deutschen Angriff hatten polnischer Rundfunk und Presse einen chauvinistischen Propagandafeldzug gegen die im Lande lebenden Deutschen geführt, der in der Feststellung gipfelte, „daß im Kriegsfalle kein einheimischer Feind lebend entrinnen wird“. Am 1. September begann dann die angekündigte „Jagd auf Deutsche“ (poln. „polowanie na Niemców“). Den vorläufigen Höhepunkt erreichten die Massaker am 3. September in Bromberg („Bromberger Blutsonntag“), wo Tausende von Deutschen auf zum Teil bestialische Weise ermordet wurden.

Es gibt unzählige Äußerungen führender polnischer Politiker, Militärs und Journalisten in der Zwischenkriegszeit, die eindeutig belegen, daß Polen auf eine militärische Konfrontation mit Deutschland hingearbeitet hatte. Nur ein Beispiel: „Polen will den Krieg mit Deutschland, und Deutschland wird ihn nicht vermeiden können, selbst wenn es das wollte“ (Marschall Edward Rydz-Smigly, Generalinspektor und Oberbefehlshaber der polnischen Armee, im Juni 1939 vor hohen polnischen Offizieren).

Um den „Marsch nach Berlin“ („marsz na Berlin“) zu beginnen, hatte Polen bereits im März 1939 teil- und am 30. August 1939 generalmobilisiert. Mit Bündnisverträgen und der Mobilmachung hat sich Polen auf einen Krieg mit Deutschland vorbereitet. Von einem deutschen „Überfall“ kann daher keine Rede sein. 

Die polnische Bevölkerung wurde mit der Ankündigung kommender Offensiven bis nach Berlin und neuen Grenzen an der Oder in Kriegsbereitschaft, ja geradezu in Kriegshysterie versetzt. Die Kriegsbegeisterung der Polen beschrieb der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki in seiner Autobiographie „Mein Leben“ wie folgt: „Die Nachricht vom deutschen Überfall auf Polen haben wir (...) mit Erleichterung, mit befreitem Aufatmen zur Kenntnis genommen. Und als am 3. September Frankreich und Großbritannien Deutschland den Krieg erklärten, konnte sich das Volk vor lauter Glück kaum beherrschen. Die Stimmung war – und nicht nur in Warschau – enthusiastisch.“

Nachdem Polen mit Zustimmung der alliierten Siegermächte die deutschen Ostprovinzen Schlesien, Pommern und Ostpreußen (Ausnahme russischer Teil) geraubt und Millionen Deutsche aus ihrer Heimat brutal vertrieben hatte, nachdem es auch das westlich der Oder gelegene Stettin sich widerrechtlich angeeignet hatte, nachdem es widerrechtlich Eigentum und Vermögen der vertriebenen Deutschen zum polnischen Staatseigentum erklärt hatte, besteht nicht der geringste Grund, die Verbrechen der Polen durch deutsche Reparationszahlungen noch zu belohnen.

Angesichts der direkten deutschen Milliardenzahlungen an Polen und indirekten über die EU sind die polnischen Reparationsforderungen nicht nur fern jeder Realpolitik, sondern einfach unverschämt.

Günter Zemella, Schwäbisch Hall






Zu: „Verborgener Sprengstoff“ von Michael Paulwitz, JF 36/19

So ein Staat geht unter

Wenn das so weitergeht, haben in Deutschland bald unendlich viele einen Migrationshintergrund. Ein Staat, der seine Grenze und damit seine Kultur nicht schützt, und jeden willkommen heißt, gibt sich selber auf und geht unter. Heute sind es 20,8 Milionen Einwanderer, morgen wer weiß wie viele? Wann endlich hört die unkontollierte Zuwanderung nach Deutschland auf?

Karl-Heinz Bauer, Saarbrücken






Zu: „Die Hochzeitsparty dauerte vierzig Tage“ von Paul Leonhard, JF 35/19

Keine Parallele zur Gegenwart

Friedrich der Große hatte die Schleifung der sächsischen Schlösser dem Oberst Friedrich Freiherr von der Marwitz, Regimentskommandeur in seinem Heer, befohlen. Nach kurzer Bedenkzeit war dessen Antwort: „Majestät, meine Soldaten sind keine Räuber und Marodeure!“ Die sofortige unehrenhafte Entlassung war die Folge. Auf dem Gedenkstein seines Grabes in Friedersdorf in der Mark Brandenburg ist zu lesen: „Sah Friedrichs Heldenzeit. Kämpfte mit ihm in allen seinen Kriegen. Wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht Ehre brachte!“ (aus „Preußische Profile“ von Wolfgang Venohr). Parallelen zur Jetztzeit sind nicht möglich!

Erwin Reus, Oberst d.R., Stegaurach






Zu: „Der Schub von Sopron“ von Jürgen Liminski, JF 34/19

Csilla Freifrau von Boeselager

Es ist interessant, wie dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Ereignisse kommentiert werden. Da ich selbst die Ereignisse ziemlich unmittelbar erlebt habe, muß ich dem Autor leider widersprechen. Das Paneuropa-Picknick war nur eine Episode in der Kaskade der damaligen historischen Ereignisse.

Der eigentliche Auslöser war ein ZDF-Bericht am 2. Mai 1989 über die Öffnung der Grenze zwischen Ungarn und Österreich. Die explosive Kraft der Öffnung wurde in der Bundesrepublik kaum erkannt, in der DDR aber haben die Menschen das sofort wahrgenommen. Langsam setzte sich eine immer größere Welle von DDR-„Urlaubern“ in Bewegung, die gedacht hatten, daß sie durch die grüne Grenze irgendwie nach Österreich kämen. Sie alle haben sich an der Botschaft der Bundesrepublik in Budapest gemeldet und bundesdeutsche Reisepässe beantragt, die sie auch erhielten. Leider berechtigten diese Pässe nicht zur Ausreise, da sich darin keine Einreise-Stempel befanden. Es gab also keine andere Möglichkeit, als ungewiß auf die Zukunft zu warten. 

Diese immer weiter anschwellende, nicht versorgte Menschenmasse hauste auf der Straße, was langsam zu einer Katastrophe zu werden drohte. Am 13. August war Csilla Freifrau von Boeselager, die Anfang des Jahres mit P. Imro Kozma den Ungarischen Malteser-Caritas-Dienst gegründet hatte, zu Besuch in der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland. Als sie die Schwierigkeiten sah, bot sie die Hilfe der Malteser an, die die Botschaft sogleich annahm. Gleich am nächsten Tag wurde dieses Lager in der geschlossenen Grünanlage der Pfarrkirche Hl. Familie im Stadtteil Auwinkel (Zugliget) geöffnet und sofort mit der Versorgung der DDR-Flüchtlinge begonnen, da der Pfarrer der Kirche P. Imre Kozma manche Großküchen der Umgebung sowie die Gemeindemitglieder zur Hilfe aufgefordert hatte. Frau von Boeselager hatte inzwischen die Gruppen des Malteser Hilfsdienstes aus Köln, Paderborn und München angefordert, die in kürzester Zeit vor Ort erschienen sind und professionelle Hilfe organisierten. Kurz darauf fand die kurzzeitige Öffnung der Grenze am 19. August statt, wobei die meisten DDR-Flüchtlinge in Budapest weilten.

Die ungarischen (UMCD) und deutschen (MHD) Malteser haben bis zur endgültigen Öffnung der Grenze am 11. September 1989 insgesamt 48.500 Menschen im zentralen Lager Auwinkel und in zwei weiteren Lagern versorgt. Die Caritas hatte damals in Ungarn keine Möglichkeit, aktiv zu werden, das Diakonische Werk existierte damals noch nicht, das regierungsnahe Ungarische Rote Kreuz enschuldigte sich, weil es keinen Auftrag bekommen hatte und sowieso keine materiellen Möglichkeiten zur aktiven Hilfe hatte. Eine sehr gute Darstellung der Ereignisse bietet das Buch des damaligen ZDF-Korrespondenten Joachim Jauer: „Urbi et Gorbi. Christen als Wegbereiter der Wende.“

Dr. med. László Németh, Konstanz