© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

„Positive Fundamentaldaten“
Immobilienmarkt: Die börsennotierten Firmen Vonovia und Deutsche Wohnen sehen die Aktivitäten des Berliner Senats zur Mietendeckelung relativ entspannt
Paul Leonhard

Deutschlands Großvermieter starren gebannt auf Berlin, wo der rot-rot-grüne Senat gerade an einem Mietendeckel bastelt. Jahrzehntelang galt die deutsche Hauptstadt als Mieterparadies – etwa im Vergleich zu München, Stuttgart, Tübingen, Darmstadt, Köln oder Hamburg, wo die Wohnkosten doppelt so hoch waren. Das hat sich geändert, seitdem SPD und Linke rund 150.000 kommunale Wohnungen nicht an die Mieter veräußert, sondern für einen Bruchteil ihres heutigen Wertes an Finanzinvestoren verscherbelt haben. Inwischen sind sie bei börsennotierten Immobilienkonzernen wie die Vonovia und Deutsche Wohnen gelandet.

Die Mieten haben zwischen 2008 und 2018 um fast 90 Prozent angezogen. Die durchschnittlichen Bruttokaltmieten sind von 5,20 auf elf Euro geklettert – gleichzeitig ist die Berliner Einwohnerzahl seit 2004 durch Zuzüge aus dem In- und Ausland um 260.000 gewachsen. Eine Volksinitiative fordert daher „Deutsche Wohnen & Co enteignen!“ und hat dafür in der 3,6-Millionen-Metropole 77.001 Unterschriften bekommen. Politiker diskutieren über einen Rückkauf der Wohnungen, um im Verlauf von zehn Jahren einen steuerungsfähigen öffentlichen Wohnungsmarkt wiederherzustellen. Selbst Vonovia-Vorstandchef Rolf Buch gesteht ein: „Ein freies Spiel der Kräfte auf dem Wohnungsmarkt ist sicher nicht die richtige Maßnahme.“

Das sagt ein Manager, dessen Konzern mit europaweit 480.102 Wohnungen ein operatives Ergebnis von über einer Milliarde Euro verbucht hat – 15,8 Prozent mehr als 2017 oder 2.230 Euro pro Wohnung. Die Kaltmiete stieg seit 2014 von 5,58 auf 6,52 Euro pro Quadratmeter. Anleger konnten sich über eine Dividendenrendite von 2,95 Pozent freuen. Um dieses Geschäftsmodell nicht zu gefährden, werde bei Umsetzung des „Mietendeckels“ ein Großteil der für Berlin geplanten Investitionen in andere Standorte umgeleitet werden.

Die oppositionelle Berliner CDU hält eine Mietenkappung für nicht verfassungskonform. Sie will daher 1,5 Millionen Berliner Haushalte per Postwurfsendung von der Stichhaltigkeit der eigenen Argumente überzeugen: Die Christdemokraten wollen Mieten bis zu 13 Euro durch einen individuellen Zuschuß auf acht Euro heruntersubventionieren. Sie favorisiert also ein Modell zu Lasten der Steuerzahler, welches bereits bei der Unterbringung von Asylzuwanderern Anwendung findet.

Der Berliner Senat hat ohnehin flächendeckende Mietsenkungen längst aus dem Linken-Entwurf gestrichen. Derzeit werden Eigentümer- und Mietervereine angehört. Fest steht aber, daß es rückwirkend zum 18. Juni keine Mieterhöhungen mehr geben darf. Was aber dazu geführt hat, daß Eigentümer ihre oft bis an die gesetzlichen Grenzen gehenden Mieterhöhungsschreiben per Eilpost bis 17. Juni zustellen ließen.

Mietwohnungen werden an Attraktivität gewinnen

Ab 2021 dürfen die Mieten wieder um jährlich bis zu 1,3 Prozent steigen, wenn sie geplante Obergrenzen nicht überschreiten. Diese liegen, bislang unabhängig von der Lage der Gebäude, entsprechend der zwölf Baujahrsklassen zwischen 3,92 Euro für unsanierte Altbauten und 9,80 Euro für zwischen 2003 und 2013 erbaute Häuser. Für einen sanierten Altbau dürfen maximal 6,45 Euro pro Quadratmeter verlangt werden. Betroffen wären etwa 1,6 Millionen Berliner Mietwohnungen.

Die Umlage von Modernisierungskosten soll auf maximal 1,40 Euro pro Quadratmeter begrenzt werden.Überdies soll, wer mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens für die Miete ausgibt, eine Senkung beantragen können. Dabei wird per „Wohnflächen-Angemessenheitsprüfung“ kontrolliert, ob nicht etwa eine Quadratmeter-Schwelle überschritten wird, die einem Single 50 und einem Zweipersonenhaushalt 65 Quadratmeter zubilligt. Der Referentenentwurf spielt auch den Fall durch, daß Vermieter durch die Mietendecklung in wirtschaftliche Not geraten können, weil ihnen die Einnahmen fehlen, um etwa Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Auch hier soll es Hilfe geben.

Sollte das Gesetz im Oktober verabschiedet und 2020 für fünf Jahre in Kraft treten, würde Berlin „zum Labor für eine Wohnungspolitik, die sich praktisch vollständig vom Marktprinzip verabschiedet“, ätzte die FAZ: Wenn alle Mieter nahezu dasselbe zahlen, dann sei das „ökonomischer Irrsinn“. Der Vonovia-Konkurrent Deutsche Wohnen, der größte private Wohnungseigentümer in Berlin, sieht die Berliner Politaktivitäten hingegen viel entspannter. Der Senatsentwurf sei zwar „ein Frontalangriff auf den Rechtsstaat und den Zusammenhalt in der Stadt“, erklärte Konzernpressesprecherin Manuela Damianakis. Andererseits sei man „aufgrund der positiven Fundamentaldaten“ davon überzeugt, daß „die Metropolregionen in Deutschland, vor allem Berlin, weiterhin an Attraktivität und Wert gewinnen werden“. Sprich: Der Zuzug werde unvermindert anhalten. Der von Christian Gräff, wohnungspolitischer Sprecher der Berliner CDU, angeregte „Zuzugsstopp“ hat politisch-medial keinen Tag überlebt.

Die Deutsche Wohnen besitzt bundesweit 165.000 Wohnungen und hat gerade erst durch den Verkauf von 6.500 Wohnungen in Kiel, Lübeck, Erfurt und Chemnitz eine halbe Milliarde Euro eingenommen. Damit soll der Kauf von 3.000 Wohnungen in Westdeutschland finanziert werden. Das Unternehmen, Börsenwert 11,3 Milliarden Euro, lieferte sich im August ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der MTU Aero Engines um den Aufstieg vom M-Dax in den „großen“ Dax der 30 wichtigsten börsengehandelten AGs in Deutschland – und unterlag: Der Börsenkurs war von 42 auf 32 Euro eingebrochen. Der Münchner Triebwerkshersteller müßte sich daher bei der Berliner Linkspartei bedanken.

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 ir.deutsche-wohnen.com

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