© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

Dominic Cummings. Wer steckt hinter Boris Johnsons draufgängerischer Politik?
Mann der Verachtung
Michael Walker

Schmuddelig, verschroben und graumäusig, das ist das unerwartete Erscheinungsbild Dominic Cummings’, „Sonderberater des Premierministers“, der als der geniale Strippenzieher hinter Boris Johnson gilt. Schon seine Ernennung im Juli sorgte für Ärger bei Gewerkschaften, Abgeordneten (von denen er viele beleidigt hat), Öffentlichem Dienst (dem er seine Verachtung zeigt) und Brexit-Gegnern.

Der 47jährige aus dem englischen Durham überwacht etwa die Berufung der Sonderberater der Minister, was Johnsons Entschlossenheit zeigt, die vielen undichten Stellen zu schließen, die Theresa Mays Regierung so geplagt haben. Vor allem aber soll Cummings dadurch die Kabinettsdisziplin wiederherstellen, sowie, auch durch das Stutzen der Ministerialbürokratie und des öffentlichen Dienstes, die politische Macht und Verantwortung wieder beim Premierminister zentralisieren. Sein Einfluß zeigte sich unlängst, als die Medienberaterin des Innenministers von Johnson „nach einem Treffen mit Cummings“ (Guardian) ohne Kommentar abgelöst wurde.   

Bekannt war er bisher vor allem dafür, die Kampagne gegen Großbritanniens Beitritt zum Euro organisiert zu haben, sowie die namens „Vote Leave“ für den Brexit unter Führung von Boris Johnson und Michael Gove. Laut Cummings wäre das Referendum verloren worden, hätte man Nigel Farages Kampagne alleine für den Brexit werben lassen. Beide Seiten reklamieren diesen heute als ihren Verdienst und reden den der jeweils anderen klein.

Dominic Cummings ist ein „Marmite“-Mann – das Wort bezeichnet jenen höchst eigentümlichen englischen Brotaufstrich, den man entweder verehrt oder voller Ekel verabscheut. Ausgestattet ist der studierte Historiker mit unbarmherzigem Arbeitseifer sowie der Unfähigkeit, Dummköpfe in seiner Umgebung auch einfach mal zu ertragen. Einem schrägen Vogel wie ihm Zutritt zur Downing Street verschafft zu haben, betrachtet die traditionelle politische Klasse als schwerwiegenden Affront.

Kein Wunder, ist Cummings doch voller Verachtung für den etablierten Politikbetrieb. Für ihn unterscheidet sich der Erfolg dort nicht von dem am Markt – man erlange ihn nur mit der Bereitschaft zur völligen Hingabe an den Willen zum Sieg, dem Verzicht auf Sentimentalitäten und dem Einsatz aller Mittel der Öffentlichkeitsarbeit. Seine Welt besteht aus Trends, Umfragen, Zielgruppen, Marktstudien und -chancen. Und sein Schlüssel zum Erfolg ist, konsequent das zu thematisieren, was die Wähler beschäftigt, statt das, was die Politiker für wichtig halten. 

Was er Johnson nun nach dem Scheitern von Neuwahlen rät, wüßte man gern. Jedenfalls war seine Berufung ein Akt des Trotzes seitens Johnson, in der Absicht das Leave-Lager zu stärken. Doch gestärkt hat es vor allem die Feindschaft zwischen Leavern und Remainern, die nun ohne Übertreibung ein Bürgerkrieg genannt werden kann.