© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/19 / 13. September 2019

Glockenspiel der Garnisonkirche abgeschaltet
Zur Zivilreligion degeneriert
Rolf Sauerzapf

Das hätte sich der von Jochen Klepper in seinem Roman „Der Vater“ gewürdigte Soldaten- und Beamtenkönig Friedrich Wilhelm I. nicht träumen lassen: Daß die von ihm erbaute Hof- und Garnisonkirche zu Potsdam nach ihrem Wiederaufbau nicht in erster Linie als Kirche, sondern als „Versöhnungsstätte“ benutzt werden soll. 1991 hatte die „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ ebenjenes der Stadt Potsdam geschenkt – ein Anfangssymbol für den Wiederaufbau der 1945 zerstörten Kirche. Halbstündlich ertönt das Lied „Üb immer Treu und Redlichkeit“ gefolgt von „Lobet den Herren“.

Kritiker aus der Kunst- und Wissenschaftsszene fordern nun den Abriß des Glockenspiels, weil sich auf dem Geläut eine Reihe „revisionistischer, rechtsradikaler und militaristischer Widmungen“ fänden. Verstummt ist es schon seit vorigem Wochenende. Das hiesige Lokalblatt schreibt unverblümt: „Daß es überhaupt jemals wieder erklingt, ist unwahrscheinlich.“ Ohne das Erklingen dieser beiden von christlichem Geist geprägten Inhalte droht die „Versöhnungskirche“ aber zur Stätte einer Zivilreligion zu degenerieren. Dabei demontiert sich die Evangelische Kirche selbst und scheint dies nicht zu bemerken.






Dr. Rolf Sauerzapf, Kirchenrat und Dekan i.R. für Evangelische Seelsorge im Bundesgrenzschutz, war Vorsitzender des Preußeninstituts e. V.