© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/15 / 13. März 2015
Viel Lärm aus dem Nichts Es wird höchste Zeit, Heidegger vom Sockel zu holen.“ So tönt Alexander Grau vom Berliner Hauptstadtmagazin Cicero, geradezu krächzend vor Empörung. Denn dieser Heidegger sei nicht nur ein „Nazi“ und „Antisemit“ gewesen, sondern schlimmer noch, er sei der „braunere Nazi“ gewesen. Entsetzt fragt sich der Leser: Ist das denn überhaupt möglich? Anlaß für die Aufregung ist das Erscheinen des vierten Bandes der „Schwarzen Hefte“, also der nachgelassenen Tagebücher Heideggers, der die Eintragungen aus den Jahren 1942 bis 1948 umfaßt. Und es gibt darin weltanschaulich nichts grundsätzlich Neues zu entdecken, wie auch Grau einräumt. Heideggers Skepsis und Verachtung gegenüber der abendländischen, kalkulierend-technizistischen „Machenschaftlichkeit“ tritt wieder voll zutage. Aber genau das, tobt der Denkmalsockelstürzer, sei der Skandal. Man sehe jetzt, daß Heidegger nach dem Krieg nichts dazugelernt habe. Er hielt den Sieg der kalkulierend-technizistischen Machbarkeitslehren für eine größere Katastrophe als das, was man später, nach seinem Tod, mit dem Namen Holocaust zu bezeichnen begann. Ab in die Hölle mit ihm! Das Vertrackte ist nur: „Die Hölle sind immer die anderen“, wie der Heidegger-Schüler Jean-Paul Sartre formulierte. Heidegger selbst ist dieser Hölle ja längst entronnen, sofern man darunter die von Grau ins Auge gefaßte Vertreibung aus den Tempeln des Nachruhms, den Sturz von den Sockeln der Erinnerung versteht. Zwar hat es in Deutschland nie Heidegger-Denkmäler gegeben, die man umstürzen könnte, aber in der Welt des Denkens rund um den Globus ist Heidegger längst eine unvergeßbare Größe, mit der man lebt wie mit Konfuzius oder Heraklit. Was hingegen die denkmalsturzgeilen Quietscher betrifft, die Heidegger wieder einmal (zum wievielten Mal eigentlich?) aus der Erinnerung löschen wollen, so machen sie sich nur immer weiter lächerlich. Sie sind das pure Nichts. |