© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/10 10. Dezember 2010
Kriegsgefangene: Ausgeprägtes deutsches Nationalgefühl Bei der umerziehenden Charakterwäsche überließen die US-Amerikaner wenig dem Zufall. Ein unerschöpfliches Rekrutierungspotential für die neuen demokratischen Stützen der Gesellschaft im besetzten Deutschland bildeten für sie die Kriegsgefangenenlager wie die Studie des Mainzer Historikers Felix Römer über Kriegsgefangene Anti-Nazis im amerikanischen Vernehmungslager Fort Hunt nahe Washington dokumentiert (Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 4/2010). Das ist zugleich ein weiterer Beitrag zur windungsreichen Biographie des Nachkriegsschriftstellers Alfred Andersch (19141980), der sich unter dem Signum Kommunist, Wehrmachtsdeserteur, Widerstandskämpfer erfolgreich als Exponent des Schuldkults vermarktete. Erst nach seinem Tod sickerte sukzessive durch, daß es mit Anderschs Widerstand nicht allzu weit her war und er seine halbjüdische Frau, von der er sich 1943 scheiden ließ, vor wie nach 1945 für sein Bewältigungsnarrativ funktionalisierte. Römer bereichert das Persönlichkeitsprofil des Literaten anhand von US-Dossiers um einige Facetten und liefert Einblicke in die Mentalität von hilfswilligen Kriegsgefangenen, die sich auch als Anti-Nazis ein ausgeprägtes deutsches Nationalgefühl bewahrt hätten und eine profunde Identifikation mit militärischen Normen zu erkennen gaben. www.ifz-muenchen.de |