© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 44/10 29. Oktober 2010
Haltungsnote Schwarzrotgoldene Zunge rausgestreckt. Deutschland auf die behaarte Brust tätowiert. So lacht der Rapper und DJ Oliver Harris in die Fotolinse. Mit gleichem Gesichtsausdruck präsentieren weitere prominente Aufsteiger aus Zuwanderungsfamilien ihre weißen Zähne: die niedersächsische Vorzeigeministerin Aygül Özkan, die Turnerin Magdalena Brzeska, der Boxer Arthur Abraham und natürlich der erfolgreichere Boateng-Bruder Jérôme. Insgesamt elf neue Botschafter der Deutschlandstiftung Integration setzen die im März 2010 gestartete Kampagne Raus mit der Sprache. Rein ins Leben fort. Die Botschaft springt nicht ins Auge, sondern liegt auf der Zunge: Über die deutsche Sprache führt die Brücke ins Einwanderungsland. Eine ungewöhnliche Nebenmelodie intonierte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer: Wer kein Deutsch kann, ist nur Zaungast in unserem Land. Deshalb appelliere ich an die Migranten, Deutsch zu lernen. Böhmer ist Vorstandsmitglied der Stiftung, die 2008 der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger aus der Taufe hob. Ihren Mitstreitern in Vorstand und Beirat unter anderem Bild-Chef Kai Diekmann und Verleger Hubert Burda darf man auch ein vitales Geschäftsinteresse unterstellen, ist doch die deutschunkundige Migrantenjugend von heute die potentielle Leserschaft von morgen. Und da sieht es schlecht aus auf einem Markt, der ohnehin durch Medienwandel und Unterschichtenfernsehen schrumpft. Das eigentliche Problem liegt aber in der Kampagne selbst, die auf Freiwilligkeit und Appell beim Erwerb der deutschen Sprache setzt. Eigentlich müßten die Kampagnenmacher wissen, daß Appelle wenig bringen: Nur Tausch ein attraktives Gegenangebot oder Zwang vermögen Abhilfe zu schaffen, wo Worte ungehört, ja unverstanden bleiben. |