© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/10 05. März 2010
Feindstaat eines Antideutschen An Selbstbewußtsein jedenfalls mangelt es dem Publizisten Matthias Küntzel nicht, der in einem Interview zu seinem vor kurzem erschienenen Buch Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft betonte, er beanspruche, daß man sich mit seinem Standpunkt auseinandersetzt. Er plädiere für einen Paradigmenwechsel in der deutschen Iranpolitik. Küntzel kritisiert, daß heute in der deutschen Elite angeblich die Vorstellung dominiere, man solle sich mit dem Iran einem Land, das Israel auslöschen wolle aus energielogistischen Gründen gutstellen. Als Beleg für diese Behauptung führt er unter anderem einen führenden Mitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik an, der es wagte, darauf hinzuweisen, daß Moral nie mit strategischen oder wirtschaftlichen Interessen vermischt werde dürfe. Was Küntzel von Aussagen wie diesen hält, macht er unmißverständlich klar: Das ist angesichts der Tatsache, daß deutsche Industrielle einst auch mit Zyklon B Geld verdienten, ein bemerkenswerter Satz. Die deutsche Geschichte zeige, wohin es führt, wenn sich Außenpolitik von ethischen Normen entfernt. Wer ist eigentlich dieser Mann auf dem hohen moralischen Roß, der im Klappentext als Politikwissenschaftler und als assoziiertes Mitglied des Vidal Sassoon Center for the Study of Antisemitism bzw. Mitglied der Wissenschaftlervereinigung Scholars for Peace in the Middle East vorgestellt wird? Beide Organisationen spiegeln, schaut man sich auf deren Internetseiten um, mehr oder weniger deutlich die Positionen der israelischen Regierung zur Palästinenser- oder Iran-Frage oder anderen Themen wider. Aufschlußreich bleibt vielleicht eher jener Teil von Küntzels Biographie, der nicht mehr Bestandteil des Klappentextes ist: Küntzel war von 1984 bis 1988 Mitarbeiter der grünen Bundestagsfraktion, zeitweise Mitglied des Kommunistischen Bundes (KB) und langjähriger Autor bzw. Redakteur von antideutschen Zeitschriften wie Konkret oder Bahamas. Seit geraumer Zeit gibt sich Küntzel als seriöser Wissenschaftler, dessen Elaborate indes nur mühsam altbekannte antideutsche Tendenzen verdecken können. All dies spiegelt sich auch in seinem neuesten Buch wider, das wenig überraschend vor allem von einem heuristischen Leitmotiv dominiert wird: Suche nach einem Deutschen! Das führt zum Beispiel beim Thema Dschihad gleich zu einem Treffer: Im Ersten Weltkrieg soll es Kaiser Wilhelm II. gewesen sein, der den mittelalterlichen Dschihad-Begriff zum Unwillen aufgeklärter Muslime reanimiert habe, um die Muslime zum Kampf gegen die Feinde Deutschlands aufzustacheln. Diese Instrumentalisierung des Dschihad für deutsche Interessen koppelte den Djihad-Begriff von seinen historischen Bezügen ab und machte ihn damit für die erneute Nutzanwendung in der Moderne erst tauglich. Kritisiert wurde das deutsche Vorgehen unter anderem von einem niederländischen Islamwissenschaftler, der eine Streitschrift mit dem Titel Der Heilige Krieg Made in Germany verfaßt hat. Hierzu kommentiert Küntzel vielsagend: ein Text von hoher Aktualität und erläutert dazu in dem bereits angesprochenen Interview, er beobachte bis heute in Deutschland eine Tendenz, die westlich orientierten Muslime zu vernachlässigen und ausgerechnet in Khomeni den authentischen Muslim sehen. Wo Küntzel diese Tendenzen genau sehen will, bleibt freilich offen; entscheidend ist die Botschaft, daß der heutige Dschihad-Begriff der Islamisten deutsche Wurzeln hat. Höhepunkt der verhängnisvollen deutsch-iranischen Beziehungsgeschichte war selbstredend die NS-Zeit, als nicht nur das gemeinsame Ariertum (Achse der Arier) beschworen, sondern Adolf Hitler zur Messiasfigur des Zwölften Imam aufrückte, der mit dem scharfen Schwert des Propheten Mohammed kommen soll, um die Welt zu befreien. Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen; dennoch blieben die deutsch-iranischen (Wirtschafts-)Beziehungen zum Unwillen Küntzels auch nach der Zeit des NS-Regimes bis heute mehr oder weniger lebendig. Diese unselige Kontinuität wird Küntzel nicht müde zu geißeln, sei es doch mit dem Einsetzen des iranischen Atomprogramms hohe Zeit, Teheran, wo eine antisemitisch-apokalyptische Clique um Ahmadinedschad den Ton angebe, definitiv die Freundschaft zu kündigen. Spätestens hier kann Küntzel nicht mehr an sich halten, und die antideutsche Grundierung seiner Bemühungen bricht sich in Form offener Anklagen der Bundesregierung Bahn: Es sei hohe Zeit, so poltert Küntzel gegen Ende seines Buchs los, daß der moralische Kompaß, der Berlin abhanden gekommen sei, wieder an seinen Platz gestellt werde. Berlin stehe beim Atomstreit nicht bei jenen, die das Unheil abzuwenden suchten, sondern bei jenen, die ihm den Weg bereiten. Das israelische Sicherheitsinteresse werde angeblich übergangen; man weigere sich, die allfälligen Schlüsse aus der Nazigeschichte zu ziehen etc. Das alles kommt nicht ohne apokalyptisches Szenario aus, malt sich Küntzel doch in seinem Kapitel Im Taumel der Geschichte einen zweiten, diesmal atomaren Holocaust aus, sprich einen iranischen Atomwaffenangriff auf Israel. Soll die verhängnisvolle deutsch-iranische Freundschaft weitergehen, so Küntzel weinerlich mit beschwörenden Worten, bis diese Alptraum-Fiktion Wirklichkeit wird? Angesichts derartiger Fiktionen muß man sich fragen, wer der größere Apokalyptiker ist: Mahmud Ahmadineschad oder Matthias Küntzel. Matthias Küntzel: Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft. Verlag wjs, Berlin 2009, gebunden, 320 Seiten, 22 Euro Foto: Ahmadineschad-Poster in der Stadt Qom, Iran: Es droht ein atomarer Holocaust Israels |