© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 34/01 17. August 2001 |
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Die neurotische Suche nach Sündenböcken Linksextremismus: Antifaschistische Aktionen stiften bundesrepublikanische Identität Alexander Barti Am 14. Februar 2001 wurde von der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wil-helms-Universität in Bonn eine Dissertation angenommen, die es in sich hat. Claus-M. Wolfschlag untersucht auf rund 500 Seiten in allen Facetten die Wirkweise des antifaschistischen Milieus. Die Themenstellung ist eindeutig: Starke Emotionen scheinen die Öffentlichkeit der Bundesrepublik Deutschland immer wieder zu ereilen, wenn der Begriff Antifaschismus ins Spiel kommt. Dann ziehen sich einige Sturmhauben auf oder Schals tief ins Gesicht, halten mit martialischer Geste Fahnen, auf welchen rot-schwarze Sterne prangen, schmeißen Steine oder schreien wilde Parolen über die Plätze. Andere, so Wolfschlag weiter, liefen noch vor einigen Jahren mit Spruchschildern auf die Straße, Verbote fordernd. Heute stehen sie in Schulzimmern und fordern immer noch Verbote. Da sind dann noch jene, die man tausendhaft im Fernsehen betrachtet hat, Kerzen in der Hand haltend, Lieder singend und Emotionen zelebrierend. Und wiederum andere sieht man gar nicht. Die sitzen zu Hause vor der Schreibmaschine oder dem Computer und formulieren, was sie unter Antifaschismus verstehen. Diese Phänomene leuchtet die Arbeit genau aus. Zunächst gibt es da den orthodoxen Antifaschismus der Alten Linken, der sich vor allem in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) organisierte. Bis 1989 unterstützte die DDR-Führung die VVN mit großzügigen finanziellen Mitteln. Der orthodoxe Antifaschismus, der vor allem Mitte der siebziger Jahre virulent war und nach dem Zusammenbruch des Ostblocks an Dynamik verloren hat, speist sich vor allem aus einem nostalgischen Rückgriff auf die Vorkriegszeit. In einer Mitgliederwerbung aus dem Jahre 1985 heißt es programmatisch: Die Vereinigung ... ist ein Zusammenschluß von Frauen und Männern, von Jung und Alt, die sich in der Tradition des Widerstandskampfes gegen das NS-Regime heute der Bedrohung durch Faschismus und Krieg entgegenstellen. Bis in die Gegenwart hinein funktioniert die Selbstdarstellung der Aktivisten als standfeste und unermüdliche Kämpfer gegen das faschistische Unrecht in der Bundesrepublik. Die Erben des Geistes der VVN sind die demokratischen Sozialisten. Schon gleich nach der Wende begann die PDS, den orthodoxen Antifaschismus in ihren eigenen Strategiemix zu integrieren. Auf dem großen Strategiekongreß Argumente gegen Rechts am 23. Oktober 1993 in Berlin formuliert man, daß über die Nutzung des Antifaschismus-Begriffs eine Gegenmacht von unten und letztlich eine kulturelle Hegemonie der Reformkräfte erreicht werden solle. Treibende Kraft des PDS-Antifaschismus sind die Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke, Ludwig Elm und Angela Marquardt. Erregter und moralisierender Tonfall als Kennzeichen Sprachliches Kennzeichen der orthodoxen Antifaschisten ist ein erregtes und moralisierendes Timbre, sobald man in der Öffentlichkeit vermeintlich rechte Agitation wahrgenommen hat. Man ist prinzipiell empört, beschämt, oder tief bestürzt, Polizeikräfte gehen prinzipiell brutal gegen Demonstranten vor man fühlt sich immer wieder erinnert an die dunkelsten Jahre in Deutschland. Ein weiteres Merkmal der orthodoxen Antifa ist die stetige Warnung vor der wachsende faschistische Gefahr in Deutschland. Eine andere Variante linker Politik ist der aggressive Antifaschismus der Neuen Linken. Aus dem Geist der Studentenrevolte von 1968 entstanden, ist der aggressive Antifaschismus die radikalisierte Variante des orthodoxen Antifaschismus. Mit ihren Sturmhauben und Brandanschlägen sind die aggressiven Linken die auffälligste Form des bundesrepublikanischen Antifaschismus. In ihrem Selbstverständnis nehmen sie sich das Recht, gegen Faschos gewaltsam vorzugehen. Da nach ihrer Ansicht der Bullenstaat mit den Faschisten zu nachsichtig umgeht, reklamieren sie das staatliche Gewaltmonopol für sich. Der aggressive Antifaschismus besteht praktisch aus zwei Flügeln, die aber wegen personeller Verknüpfung nicht eindeutig zu trennen sind. Der radikale Antifaschismus entwickelte sich in Westdeutschalnd aus den kommunistischen K-Gruppen der siebziger Jahre. Nachdem im September 1968 mit der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) wieder eine kommunistische Partei zugelassen wurde, begann verstärkt die Zerfransung des linken Randes. Den anderen Flügel des aggressiven Antifaschismus bezeichnet Wolfschlag als autonomen Antifaschismus. Er entstand aus der antiautoritären, anarchistischen Sponti-Bewegung der siebziger Jahre. Ihre Protagonisten bezeichneten sich selbst als Autonome, um ihre vermeintliche Unabhängigkeit von der bundesrepublikanischen Gesellschaft zu unterstreichen. Beide Flügel der aggressiven Linken haben ihre ideologischen Wurzeln vor allem in der sogenannten Frankfurter Schule um Max Horkheimer, Theodor W. Adorno und Erich Fromm. Ihre Forschungsergebnisse über das Entstehen des Faschismus behaupteten einen autoritären bzw. sado-masochistischen Charakter der Deutschen, der durch die Unfähigkeit zu trauern (Mitscherlich) nach der Befreiung 1945 weiter entlarvt wird. Die autonomen Antifaschisten propagierten einen undogmatischen Umgang mit der Politik und lehnten parteiähnliche Organisationsstrukturen ab. Man engagierte sich in Anti-AKW-Bewegungen und integrierte sich - vor allem nach dem Fiasko des Heißen Herbstes 1977 - zunehmend in der gemäßigten Alternativszene. Die Gründung der Grünen ist unter anderem ein Produkt dieser Entwicklung einer Liberalisierung kommunistischer Leitbilder. Die Verteidigung bürgerlicher Freiheitsrechte durch autonome Antifaschisten wurde als Rückzugslinie interpretiert, von wo aus man den Hebel ansetzen wollte, um die Gesellschaft zu verändern. Mit Erfolg, wie wir heute wissen. Überholte marxistische Positionen wurden entsorgt Mit dem Ende der achtziger Jahre verschoben sich linke Aktionsformen in Richtung eines Neo-Antifaschismus, der vor allem sozialdemokratisch und linksliberal dominiert war. Damit war der Antifaschismus an seinem Ziel angelangt: er bekam eine staatstragende Funktion. Überholte marxistische Positionen wurden unterwegs entsorgt, und durch den alsbald erfolgten Zusammenbruch des Ostblocks erübrigte sich der Wunsch nach einer Anbindung an den real existierenden Sozialismus. Der Neo-Antifaschismus entsteht mitten in der bundesdeutschen Gesellschaft, denn er wird vorrangig von der jüngeren Generation getragen. Die Gutmenschen kommen aus Kreisen der Gewerkschaftsjugend, linksgerichteter Journalisten, Pädagogen und Sozialdemokraten, kirchlicher Gruppen. Ein besonderes Kennzeichen der Neo-Antifaschisten ist der Verzicht auf marxistische Schlagworte zugunsten der Utopie einer multikulturellen Gesellschaft. Die Zunahme ausländischer Wohnbevölkerung, vor allem in den großen Städten und Ballungszentren Deutschlands, unterstützt die Zukunftsvorstellung einer gemischtethnischen Gesellschaft, um die Deutschtümelei - und damit den Faschismus - endgültig zu besiegen. Ebenso wie die orthodoxen Linken beschwören die Neo-Antifaschisten die wachsende Gefahr von Faschismus und Antisemitismus. Dabei richten sich die Appelle der Aktivisten nicht nur an die eigene Klientel, sondern wollen den Normalbürger aufrütteln. Rechtsgerichtete Gruppen werden dabei als Gefahr für den Wohlstand, die körperliche Unversehrtheit und den sozialen Frieden der bürgerlichen Gesellschaft gebrandmarkt. Wer rechts wählt, suggeriet man, ist verantwortlich für den Abstieg des ganzen Landes, da ausländische Investitionen abgeschreckt werden. In zunehmendem Maße sprechen daher die Neo-Antifaschisten im Namen der BürgerInnen, so daß der Eindruck entsteht, sie seien die konsequente Verwirklichung des Volkswillens. Mit der gleichen Konsequenz lobt man antifaschistisches Handeln als couragiert, charakterstark und mutig. Die berüchtigte Forderung des Kanzlers nach einem Aufstand der Anständigen steht voll und ganz in der Tradition neo-antifaschistischer Propaganda. In dem Kapitel über Agitations- und Ideologieelemente der antifaschistischen Publizistik hat Wolfschlag beeindruckendes Material über die humanen Klassifizierungen zusammengetragen, mit denen die Linken über ihre ideologischen Gegner sprechen. Die Rechten - oder was Antifaschisten dafür halten - sind demnach eine Bedrohung mit niederer Moral, sie sind Täuscher, Verführer, Betrüger, sie gelten als Krankheit, ihre Ideologie als Droge. Die Rechte sei unhygienischer Schmutz, brauner Sumpf , ein Dämon und Spuk. Die Rechten werden als feige Faschoratten, als Nazischweine, braune Maulwürfe und Bulldoggen mit triefenden Lefzen beschrieben. Sogar als Umweltkatastrophe müssen die Rechten herhalten, wenn sie als rassistische Flut, als Flächenbrand oder schlimmes Gemisch gesehen werden. Eine weitere Methode der Linken besteht darin, die Rechte als dumm, dilettantisch und unseriös zu entlarven: da wird von primitivem Denken gesprochen, von politischer Unmündigkeit, von aus Dummheit geborenem Haß; rechte Publikationen sind für die Linke Machwerke oder Zentralorgane der Dummheit. Auch die Artikulationsfähigkeit wird den Rechten generell abgesprochen, denn in der linken Publizistik gröhlen, tönen, faseln und schwätzen sie nur. Auf der Ebene der Ästhetik sehen die Antifaschisten vor allem häßliche Rechte, sie sind spießig wackelig, pickelig oder feist. Bekannt ist auch der linke Vorwurf, die Rechte sei ewiggestrig, rückwärtsgewandt, muffig, ihre Argumente abgedroschen und abgestanden. Einige Antifas schrecken praktisch vor nichts zurück Nicht minder eindrucksvoll sind die Untersuchungen, die Wolfschlag im Zusammenhang mit den Auswirkungen antifaschistischer Repression auf Betroffene macht. In einer erdrückenden Fülle dokumentiert er Ereignisse, bei denen unliebsame Personen ausgegrenzt, diffamiert, bedroht und verurteilt wurden. Dabei werden sowohl die staatlichen Repressionen als auch die Angriffe der Antifaschisten aufgezählt. Besonders Letztgenannte schrecken praktisch vor nichts zurück. Kommandoerklärungen werden mit Burn Fascho Burn (Brenne Fascho Brenne) unterzeichnet, Autos und Häuser werden angezündet, Fensterscheiben eingeschlagen oder Türen eingetreten. Ideologisch unliebsame Aktivisten bekommen Bomben- und Morddrohungen, wobei oft telefonisch nur angedeutet wird, daß etwas passieren wird. Schier endlos ist die Liste mit den Störaktionen gegen Veranstaltungen aus dem politischen Spektrum der vermeintlichen Gegner. Letztlich kommt Wolfschlag zu dem Ergebnis, daß der Rechtsextremismus als gesellschaftliches Aggressionobjekt herhalten muß. Der antifaschistische Einsatz kann sich an einer mehr oder weniger klar definierten Gruppe abreagieren. Die gegnerische Gruppe wird als Feindbild für junge Menschen aufgebaut, die auf Identitätssuche sind. Gleichzeitig haben die Faschisten die Funktion von Sündenböcken für das eigene Versagen. Im Umkehrschluß wird durch die Untersuchung deutlich, daß die emanzipierte Gesellschaft von Angstneurosen geplagt wird, denn nur so läßt sich die nach außen, auf die Faschisten, projizierte Aggression verstehen.
Vermummte Autonome ziehen mit roten Fahnen durch Göttingen (7. Juli 1994): Der Neo-Antifaschismus entsteht mitten in der bundesrepublikanischen Gesellschaft. Damit hat er eine staatstragende Funktion. Lichterkette gegen Ausländerfeindlichkeit vor dem Brandenburger Tor in Berlin (1992): Mutiges und couragiertes Handeln der Bürger, um den bedrohten Wohlstand vor dem braunen Sumpf zu schützen
Claus-M. Wolfschlag: Das antifaschistische Milieu. Vom schwarzen Block zur Lichterkette - Die politische Repression gegen Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Leopold Stocker Verlag, Graz 2001, 492 Seiten, 68 Mark |